26.09.2017

Das Alpha und das Omega der Steuerpolitik: die Berechenbarkeit

Ungarn liegt als Investitionsstandort in Europa sehr günstig. Durch die zentrale geografische Lage in Mittelosteuropa sind gute Gegebenheiten vorhanden. Ergänzt mit einer guten Infrastruktur sind die besten Voraussetzungen für Neuinvestitionen geschaffen. Die Nähe zu den Kunden und die damit verbundenen niedrigeren Transportkosten und Transportzeiten bieten Vorteile, die Ungarn zum bevorzugten Investitionsland der Region machen können. Über die mittlerweile wirklich kurzen Transportwege in der Region wird aber auch die Konkurrenzsituation härter. Ungarn muss für neue Investitionen mit den Nachbarländern Slowakei, Rumänien, Tschechien und Polen konkurrieren. In diesem Zusammenhang spielen aber die Steuern eine wesentliche Rolle. Angesichts des Wettbewerbs in der Region kann nur eine gute Steuerpolitik dazu führen, dass Investitionen nachhaltig in Ungarn getätigt werden.

Sollte es Ungarn gelingen, eine wirtschaftlich zentrale Position in Mittelosteuropa einzunehmen, könnten die Investitionen auch in eine erweiterte, sehr wünschenswerte Richtung ausgedehnt werden. Die Regierung hat auch erkannt, dass die früheren verlängerten Werkbänke durch die zentrale Lage mit vollem Chancen- und Risikoprofil sowie mit allen wesentlichen Funktionen (z.B. Forschung und Entwicklung) eines Entrepreneurs ergänzt werden können. Das verlangt wiederum noch mehr gut ausgebildete Fachkräfte auch auf einem höheren Niveau (Ingenieure, Finanzexperten und ähnliche). In der derzeitigen Arbeitsmarktsituation ist die Verbreitung von Arbeiten mit höherem Mehrwert zu einem primären Aspekt geworden.

Die Rolle der Steuerpolitik

Um diese zentrale Position erreichen zu können, ist es empfehlenswert, die Nachbarländer ständig zu „benchmarken“. Die Märkte der Region, mit denen Ungarn im Wettbewerb steht, müssen beobachtet werden, um festzustellen, wie Ungarn sich besser positionieren könnte. Polen ist z. B. ein sehr erfolgreicher Mitbewerber. Mit seinen „Special Economic Zones“ und mit ebenfalls gut ausgebildeten, nicht teuren Arbeitskräften ist Polen für Investoren ebenfalls sehr interessant. Da muss Ungarn mithalten können.

Wie wir sehen, hängt die Entscheidung eines Investors über eine neue Investition von mehreren Kriterien ab. Die Absicht der ungarischen Regierung, größere Investoren nach Ungarn zu locken, kann nicht allein über steuerliche Vorteile umgesetzt werden. Wenn aber eine Investition in der Region ohnehin ernsthaft überlegt wird, spielen die Steuerpolitik und die Steuern bei der Auswahl des jeweiligen Landes eine entscheidende Rolle.

Die wichtigste Bedingung einer Investitionsentscheidung: Die langfristige Berechenbarkeit

Im Laufe meiner 25 jährigen Beratungstätigkeit gab es kein Interview mit den Entscheidungsträgern der großen Konzerne, bei dem die Priorität der langfristigen Berechenbarkeit nicht erwähnt wurde. Selbst Finanzleiter und Steuerdirektoren, deren wichtigste Aufgabe heutzutage die Senkung der sogenannten „effektiven Konzernsteuerquote“ ist, haben einstimmig bestätigt, dass die Zuverlässigkeit des Steuersystems, die Berechenbarkeit der Steuerpolitik wichtiger sind als der Steuersatz an sich.

Diese Meinung relativiert leider auch den Vorteil unseres 9%-igen Körperschaftsteuersatzes. Selbstverständlich kann Ungarn mit seinen Steuersätzen nicht wesentlich über der durchschnittlichen Steuerbelastung der Region liegen, aber auch die niedrigsten Steuersätze sind für die Investoren nicht ausreichend, wenn die Vergangenheit durch eine ständige Modifizierung der Steuergesetze gekennzeichnet ist. Dadurch wird die Zuverlässigkeit gestört, um größere Investitionen, die über einen langfristigen Zeithorizont gerechnet werden, zu tätigen. Ungarn weist leider im Bereich der Zuverlässigkeit der Steuerpolitik anhand der Steueränderungen der vergangenen Jahre ein nicht unwesentliches Defizit vor.

Erfahrungen aus der Vergangenheit

Beispiele für inkonsequente, ständige Änderungen der Steuergesetze sind ohne Anspruch auf die Vollständigkeit die folgenden:

  • Senkung und dann zweimalige Erhöhung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes;
  • Einführung, dann Abschaffung der Sondersteuern für Energieversorger und Telekommunikationsfirmen – gleichzeitige (teilweise sogar parallele) Einführung weiterer Steuern für diese Sektoren;
  • Einführung eines steuerschonenden Caffeteriasystems, dann Erhöhung der Steuerlast der Zuwendungen;
  • Einführung eines großzügigen Förderungsprogrammes für Sportvereine, dann wesentliche Kürzung der Vorteile;
  • die Vervielfachung der Gebühren für die Überwachung von Lebensmittelketten und von der Werbungssteuer, und deren anschließend deutliche Senkung auf Druck der Europäischen Union.

Das waren jetzt nur Beispiele für nicht konsequente Steuergesetzänderungen. Wenn eine Firma auf diesen Regeln basierend eine Entscheidung getroffen hat, musste sie später diese Entscheidung wieder rückgängig machen oder hat Nachteile erleiden müssen.

Der Preis für die Änderungen

Über diese Beispiele hinaus sind leider in den letzten Jahren der Steuerpolitik auch eine Reihe von neuen Steuern eingeführt worden: Sondersteuer für Finanzorganisationen, Gebühr für Finanztransaktionen, Telekommunikationssteuer, Steuer für die Leitungen des Versorgungsnetzes, Steuer für die Energieversorger, Versicherungssteuer, Unfallsteuer, Steuer für die gesunde Ernährung – die Namen dieser neuen Steuerarten kann man sich kaum merken. Selbst wenn diese Steuern einen Teil der Firmen – vor allem Produktionseinheiten – kaum beeinflusst haben, ist die Einführung einer Steuer jedes Mal als schlechte Nachricht in der Konzernzentrale angekommen.  Es handelt sich hier um Maßnahmen, die bei den Investoren eine sehr schlechte Stimmung verursachen. Darüber hinaus ist damit auch ein Kostenfaktor verbunden: Große Organisationen können nur sehr langsam und kostenintensiv auf die Änderungen reagieren. Durch die vielen kleinen Änderungen geht dann die Transparenz ganz verloren, was letzten Endes dazu führt, dass sich die potenziellen Investoren bei ihren Investitionsentscheidungen gestört fühlen und gegebenenfalls für einen anderen Standort entscheiden.

Schlüssel zur Lösung

Die Lösung dieses Problems ist nun nicht unbedingt die Abschaffung dieser neuen Steuerarten. Sicherlich könnte man einige Vorschriften, die vor einigen Jahren eingeführt wurden und allgemein für schädlich gehalten werden (wie zum Beispiel die zeitliche Verschiebung der Nutzung der Verlustvorträge), wieder abschaffen. Viel wichtiger wäre aber zu erklären, dass diese Regelungen der Steuerpolitik langfristig nicht geändert werden. Die gleiche Regierung, die jetzt das Land führt, hat vor 16 Jahren die Steuergesetze für zwei Jahre verabschiedet. Eine ähnliche Maßnahme würden die Investoren sicherlich begrüßen.

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