31.10.2017

Ein weiterer interessanter Fall des Europäischen Gerichtshofs – die Beurteilung von Leasing aus Sicht der Mehrwertsteuer

leasingAm 4. Oktober 2017 wurde ein weiteres wichtiges Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (Rechtssache C-164/16) veröffentlicht, in dem die Beurteilung vom Leasing in Bezug auf die Mehrwertsteuer erläutert und in gewissem Maße auch die derzeitige Praxis geändert wird.

Die aktuelle Praxis in Ungarn oder das Leasing im Mehrwertsteuersystem

Im ungarischen Mehrwertsteuersystem gibt es auf vereinfachter Weise dargestellt zwei Modelle von Finanzierungsleasing: mit geschlossenem und offenem Ende.

  • Bei Leasing mit geschlossenem Ende geht nach Ablauf der Leasingdauer und bei Bezahlung aller Raten das Eigentum an dem geleasten Gegenstand durch Zahlung der letzten Rate automatisch auf den Leasingnehmer über.
  • Bei Leasing mit offenem Ende kann der Leasingnehmer das Eigentum an dem Gegenstand optional erwerben, jedoch hängt dies von seiner Entscheidung ab.

Entsprechend den Begriffsbestimmungen behandelt das Mehrwertsteuersystem auch die zwei Leasingmodelle differenziert. Das Leasing mit geschlossenem Ende gilt laut Umsatzsteuergesetz (und der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie) als Lieferung von Gegenständen, während das Leasing mit offenem Ende eine Dienstleistungserbringung (Miete) ist. Beim Leasing mit geschlossenem Ende entsteht die Mehrwertsteuerzahlungspflicht in Verbindung mit dem gesamten Kapitalanteil bei der Übergabe des Leasinggegenstands in einer Summe (unabhängig davon, dass das Eigentumsrecht nicht überging), beim Leasing mit offenem Ende entsteht eine Mehrwertsteuerzahlungspflicht jeweils zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung der einzelnen Raten.

Eine kurze Beschreibung des durch den Gerichtshof untersuchten Falles 

Im vorliegenden Fall standen sich die Mercedes Benz Financial Services UK Ltd. und die britischen Steuerbehörden gegenüber. Mercedes hat bei der Finanzierung zur Nutzung von Autos drei Arten von Leasingverträgen angeboten, diese waren der Mietvertrag „Leasing”, der Finanzierungsleasingvertrag mit dem Namen „Hire Purchase” und der Mietvertrag „Agility” mit Kaufoption.

Der Standardvertrag „Leasing“ schließt ein Eigentumsübergang aus und legt eine Kilometerobergrenze fest, die bei Überschreitung zu einer Vertragsstrafe für den Kunden führt. Die Standardverträge „Hire Purchase“ und „Agility“ hingegen – wenn auch zu unterschiedlichen Bedingungen – sehen auch einen Eigentumsübergang vor.

Im „Hire Purchase“ enthält der Vertrag eine Option, nachdem der Kunde bei Vertragsende durch die Bezahlung eines geringen Endbetrags (normalerweise 95 GBP) das Fahrzeug erwerben kann. Da die Summe der monatlichen Raten dem Gesamtkaufpreis des Fahrzeugs entspricht, macht es aus wirtschaftlichen Gesichtspunkt keinen Sinn, auf die Option zum Kauf eines voll bezahlten Fahrzeugs zu verzichten.

Die beim „Agility“-Standardvertrag vorgesehenen Monatsraten sind grundsätzlich niedriger, sie betragen insgesamt nur etwa 60% des Fahrzeugkaufpreises einschließlich der Finanzierungskosten. Möchte der Mieter die Kaufoption für das Fahrzeug ausüben, muss er noch etwa 40% des Kaufpreises entrichten. Diese Abgeltung soll dem durchschnittlichen geschätzten Restwert des Fahrzeugs entsprechen.

Für die Parteien war unstreitig, dass „Leasing”–Standardverträge Dienstleistungen (d.h. Miete) und „Hire Purchase”–Standardverträge eindeutig Lieferung von Gegenständen sind. Kopfzerbrechen hat die „Agility”-Konstruktion bereitet.

Das konkrete Urteil 

Laut Gerichtshof ist der verwendete Ausdruck – wir zitieren aus dem Urteil – „Mietvertrag, der regelmäßig die Klausel enthält, dass das Eigentum spätestens mit Zahlung der letzten fälligen Rate erworben wird“ (Art. 14 Abs. 2 Buchst. b) ist dahin auszulegen, dass er auf einen Standard-Mietvertrag mit Kaufoption anzuwenden ist, wenn – bei ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrags bis zum Ende seiner Laufzeit – aufgrund der finanziellen Vertragsbedingungen festgestellt werden kann, dass zum Vertragsende die Optionsausübung als die einzig wirtschaftlich rationale Wahl für den Mieter darstellt, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

Das Wichtigste an der Entscheidung

Um festzustellen, ob es sich bei der betreffenden Konstruktion um eine Lieferung von Gegenständen oder einer Dienstleistungserbringung handelt, reicht es nicht aus, zu prüfen, ob das Leasingobjekt durch Zahlung der letzten Rate automatisch an den Leasingnehmer übertragen wird. Es sollte auch geprüft werden, ob bei einer Kaufoption die Eigentumsübertragung tatsächlich von der rationellen Entscheidung des Leasingnehmers abhängt.

Wie geht es jetzt weiter? 

Mit dieser Entscheidung hat der Gerichtshof einen subjektiven Faktor in die Formel gesetzt, die in Zukunft noch zu Kopfschmerzen führen kann. In manchen Fällen ist es nämlich sehr schwierig herauszufinden, wie viel die richtige Höhe der Optionsgebühren beträgt, die den Leasingnehmer tatsächlich in eine Entscheidungsposition bringt. Es kann sich auch als fraglich erweisen, was als eine sinnvolle Entscheidung für das Unternehmen gilt. (Als Privatperson kann es sinnvoll sein, einen gebrauchten und 5 Jahre alten Wagen zu kaufen, aber für ein Unternehmen ist dies zum Beispiel ziemlich unklar, selbst wenn durch die spätere Veräußerung des 5-jährigen Gebrauchtwagens noch eine geringe Einnahme erzielt werden könnte). Die Steuerbehörde kann nun Leasingkonstruktionen, die als Dienstleistungen gelten, auch als Lieferungen von Gegenständen auslegen, das heißt, sie kann die Höhe der Mehrwertsteuer in einem Betrag geltend machen, wenn der Leasinggegenstand vom Leasinggeber übergeben wird.

Beim Leasing von Firmenfahrzeugen ist es auch nicht unerheblich, ob die Anschaffung als Lieferung von Gegenständen oder als Mieten eines Autos gilt. Während bei dem Kauf eines Pkws ein Vorsteuerabzugsverbot gilt, kann andererseits die Umsatzsteuer beim Mieten eines Autos (bei nachweisbar geschäftlicher Nutzung) als Vorsteuerabzug geltend gemacht werden.

Um Steuerrisiken zu vermeiden, ist es daher ratsam, die Leasingverträge unter Berücksichtigung des oben ausgeführten Urteils des Gerichtshofs hinsichtlich der Mehrwertsteuer zu überprüfen.

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