30.07.2024

Feste Niederlassung bei der Umsatzsteuer

Neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs hilft bei der Orientierung

feste Niederlassung

Die feste Niederlassung bzw. die Frage ihres Bestehens stellt, vor allem bei der Umsatzsteuer, noch immer ein ziemlich komplexes Thema dar. Das trifft trotz der Tatsache zu, dass bei der Orientierung neben der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (Richtlinie 2006/112/EG), der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates bzw. der ungarischen Umsatzsteuerregelung (Gesetz Nr. CXXVII von 2007) immer mehr Urteile des Europäischen Gerichtshofs die Arbeit der Steuerzahler und Steuerexperten unterstützen. Warum ist diese Frage eigentlich wichtig und was trägt die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs Neues dazu bei?

Gesetzliches Umfeld und Bedingungen

Auf die feste Niederlassung treffen wir in der internationalen Fachsprache am häufigsten als Fixed Establishment, während sich die ungarische Rechtsnorm neben dem Firmensitz als andere mögliche Verwirklichung einer wirtschaftlichen Niederlassung mit dem Ausdruck feste Niederlassung beschäftigt. Die Frage, was dieser Begriff genau umfasst, stellt sich, wenn eine ausländische Gesellschaft in Ungarn Montagearbeiten verrichtet oder Dienstleistungen erbringt und sie den Auftrag in einem bestimmten Umfang unter Nutzung ihrer eigenen Angestellten und Mittel erfüllt.

Aufgrund der gesetzlichen Definitionen und fachlichen Richtlinien können wir sagen, dass wird unter einer Niederlassung einen physisch abgegrenzten Ort verstehen, der zur Betreibung einer länger ausgeführten Wirtschaftstätigkeit geeignet ist und an dem die Bedingungen für die eigenständige Betreibung der gegebenen Tätigkeit zur Verfügung stehen. Das bedeutet praktisch das Vorhandensein von personellen (Arbeitskräfte) und materiellen Ressourcen (Gerätepark und technische Bedingungen). Den Ausdruck längere Zeit zu verstehen, ist vielleicht problematischer als die Interpretation der beiden anderen Faktoren. Aufgrund der fachlichen Richtlinien der Steuerbehörden entsteht bei Arbeiten von sechs Monaten oder mehr sehr wahrscheinlich eine feste Niederlassung für das ausländische Unternehmen, wenn auch die bereits erwähnten anderen zwei Bedingungen bestehen.

Warum ist der Begriff feste Niederlassung wichtig?

Die Wichtigkeit des Themas ergibt sich daraus, dass die Rechtsnorm an die existierende feste Niederlassung eine „Rechtswirkung knüpft”. Der Erfüllungsort bzw. die Steuerpflicht eines gegebenen Geschäfts, in der Regel einer Dienstleistung wird dadurch beeinflusst, ob es eine feste Niederlassung gibt. Wenn es bei einem ausländischen Dienstleister eine feste Niederlassung gibt, kann er in der dem ungarischen Kunden ausgestellten Rechnung die Berechnung der Umsatzsteuer nicht vermeiden. Im entgegengesetzten Fall wiederum kann die ausländische Gesellschaft ihre im Land laut ihrer Ansässigkeit gültige Steuernummer nutzen, muss keine ungarische Steuernummer beantragen und keine ungarische Umsatzsteuer berechnen. In diesem Fall wird der ungarische Steuerpflichtige als Dienstleistungsempfänger die Steuerzahlung nach den Regeln des Reverse-Charge-Verfahrens erfüllen.

Und als Auftraggeber der Dienstleistung prüfen wir, ob wir neben unserem Firmensitz eine Niederlassung haben, die von der Inanspruchnahme der gegebenen Dienstleistung betroffen ist. Wenn ja, wird in der Regel in diesem Land der Erfüllungsort der von uns bestellten Dienstleistung sein, hier kann eine Pflicht zur Steuererklärung und Steuerzahlung auftreten, und nicht im Land laut Ansässigkeit.

Hintergrund der fraglichen Gerichtssache

In den vergangenen fünf-sechs Jahren ist dieser Rechtsfall bereits der fünfte, der die Kriterien für eine feste Niederlassung hinterfragt. Und es ist ebenfalls nicht der erste, in dem sich die Frage stellt, ob eine Gesellschaft als feste Niederlassung ihres Mutterunternehmens bzw. einer anderen Firma der Gruppe angesehen wird. Seit dem Urteil in der Dong Yang-Rechtssache (C-547/18) in 2020, laut dem eine ähnliche Schlussfolgerung nicht ausgeschlossen werden kann, begannen mehrere Steuerbehörden, in den Gruppenstrukturen feste Niederlassungen zu suchen. In der im Mittelpunkt unseres Artikels stehenden Adient-Sache (C-533/22) stellte die rumänische Steuerbehörde die Frage, ob eine rumänische Gesellschaft die Niederlassung einer mit ihr in einem Vertragsverhältnis stehenden deutschen Firmengruppe sein kann. In diesem Fall wäre der Erfüllungsort der fraglichen Dienstleistung dann nicht in Deutschland, sondern in Rumänien.

Sachverhalt

Die in Deutschland ansässige Adient Ltd & Co. KG (Adient DE) ist Teil einer Unternehmensgruppe, die ein Zulieferer für die Automobilindustrie ist. Im Juni 2016 schloss die Adient DE mit einer rumänischen Gesellschaft der Unternehmensgruppe einen Vertrag für eine komplexe Dienstleistung zur Herstellung und Montage von Polsterkomponenten ab. Die rumänische Gesellschaft verfügt über zwei Niederlassungen in Rumänien, wo für die Adient DE die entsprechenden Erzeugnisse produziert werden. Die Fa. Adient DE kauft das für das Geschäft benötigte Rohmaterial, das sie zur Verarbeitung an die rumänische Gruppenfirma schickt. In Verbindung mit den rumänischen Arbeiten nutzt die deutsche Gesellschaft sowohl für den rumänischen und innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen als auch beim Verkauf der von der rumänischen Firma produzierten Erzeugnisse ihre vorher beantragte rumänische Umsatzsteuer-ID. Die rumänische Gesellschaft war der Meinung, dass der Erfüllungsort ihrer für die Adient DE erbrachten Dienstleistungen der Sitz des Dienstleistungsempfängers (Deutschland) ist, weshalb sie keine rumänische Steuer berechnete und zahlte.

Sichtweise der Parteien

Die rumänische Steuerbehörde stellte bei ihrer Steuerprüfung fest, dass die Adient DE in Rumänien durch die rumänische Gruppenfirma über zwei rumänische Niederlassungen bzw. dadurch über die persönlichen und materiellen Ressourcen verfügte und so die Kriterien für eine feste Niederlassung in Rumänien erfüllte. Daher waren die von der rumänischen Firma für die Adient DE erbrachten Dienstleistungen in Rumänien steuerpflichtig. 

Die deutsche Gesellschaft stand im Gegensatz dazu auf dem Standpunkt, dass die Anforderungen an eine feste Niederlassung in Rumänien nicht erfüllt werden. Die Adient DE verfügte in Rumänien über keine personellen Ressourcen, da die Angestellten von der rumänischen Firma beschäftigt wurden und die rumänische Firma entschied auch über die zur Verarbeitungstätigkeit benötigten Mittel.

Fazit des Europäischen Gerichtshofs 

Der Europäische Gerichtshof hob in seiner Entscheidung hervor, dass eine zur Gruppe gehörende eigenständige Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat nur wegen ihrer gesellschaftsrechtlichen Beziehungen nicht als feste Niederlassung laut Mehrwertsteuerrichtlinie angesehen werden kann. Auch eine Vertragsbeziehung für eine komplexe Dienstleistung hat in der Regeln nicht zur Folge, dass der Dienstleister eine steuerpflichtige Dienstleistung für die dadurch entstehende feste Niederlassung des Dienstleistungsempfängers erbringt. Der Erfüllungsort der Dienstleistungen ist unabhängig vom physischen Ort des Produktions- bzw. Montagegeschäfts bzw. davon, dass der Dienstleistungsempfänger als eigenes „Endgeschäft” eine Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen erbringt.

Im Sinne der Entscheidung des Gerichts besteht eine feste Niederlassung nur dann, wenn sie an die Stelle der in einem anderen Mitgliedstaat zu findenden Firmenzentrale tritt. Aufgrund dessen entsteht durch einen mit einem Dienstleister geschlossenen Vertrag nur dann eine feste Niederlassung, wenn sich diese nicht nur auf die Dienstleistungserbringung bezüglich der Aufgaben des Dienstleistungsempfängers bezieht. D. h., sie muss in der Regel auf die Bereitstellung der erforderlichen personellen bzw. materiellen Ressourcen gerichtet sein, damit der Dienstleistungsempfänger vor Ort (d.h. am Ort der festen Niederlassung) ähnliche Dienstleistungen erbringen oder Verkäufe tätigen kann, wie von der Firmenzentrale aus.

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