06.04.2017

Generelles Reverse-Charge-Verfahren – mehr Administration?

Reverse-Charge-VerfahrenNach EU-Angaben beläuft sich die Mehrwertsteuer-Lücke auf über 160 Mrd. EUR.  Der Anteil des grenzüberschreitenden Betrugs verursacht dabei etwa 50 Mrd. EUR Einnahmenverlust pro Jahr. Die letztgenannte Zahl wird in Ungarn auf 1,5-2 Mrd. EUR geschätzt. Was unternimmt die EU dagegen, mit welchen Schritten muss in Ungarn gerechnet werden, und wie wirkt sich all dies auf die tägliche Administration der gesetzestreuen Steuerzahler aus? In diesem Artikel suchen wir die Antworten auf diese Fragen. 

Generelles Reverse-Charge-Verfahren – Schritte der EU 

Wenn wir in die Zukunft blicken, sehen wir, dass nach der Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und dem Europarat das endgültige Mehrwertsteuersystem auf dem Grundsatz der Besteuerung der Waren im Bestimmungsland (das sogenannte „Bestimmungslandprinzip “) basieren wird, während das derzeitige System sich auf die Steuerbefreiung des Verkaufs im Ursprungsland stützt. Da jedoch die Vorbereitung, Annahme und Umsetzung einer solchen bedeutenden Änderung wahrscheinlich länger dauern wird, hat die Kommission die Notwendigkeit anerkannt, dass sie sich zeitgleich mit anderen Initiativen zur Steuerhinterziehung beschäftigen muss. Dementsprechend hatten wir am 21. Dezember 2016 die Möglichkeit, den Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2006/112 /EG kennenzulernen.

Die wichtigsten Punkte an der Regelung sind, dass auf Antrag der einzelnen Mitgliedstaaten, die eine Sonderregelung erbitten, unter festgelegten Bedingungen eine vorübergehende, bis zum 30. Juni 2022 gültige, generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (Generalised Reverse-Charge-Mechanismus GRCM) für Vertrieb und Leistungen über 10.000 EUR je Rechnung (unabhängig vom Sektor oder Art der Dienstleistung) möglich wird.

Mitgliedstaaten, die eine generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft einführen möchten, müssen folgende Kriterien erfüllen:

a.) Der als Prozentsatz der Gesamtmehrwertsteuerschuld angegebene Mehrwertsteuerausfall muss den Medianwert des Mehrwertsteuerausfalls der Gemeinschaft um mindestens 5 Prozentpunkte überschreiten.

b.) Das Verhältnis des Karussellbetrugs muss den Wert von 25% des Gesamtmehrwertsteuerausfalls überschreiten.

c.) Der Mitgliedstaat muss eine Erklärung abgeben, dass bei der Bekämpfung des Karussellbetrugs andere Kontrollmaßnahmen nicht ausreichen.

Im Fall der Einführung muss auch geprüft werden, welche Auswirkungen sie auf die Nachbarländer hätte, da es in diesem Fall leicht vorkommen könnte, dass die Steuerbetrüger ihre Aktivitäten in die Nachbarländer verlagern würden.

Kampf gegen Steuerbetrug in Ungarn 

Der ungarische Mehrwertsteuersatz von 27% ist für Steuersünder sehr attraktiv und es erscheint logisch, in Ungarn den Reverse-Charge-Mechanismus in den „vergifteten“ Sektoren einzuführen. Nach Angaben der EU-Studien erweiterten im Jahr 2014 mehrere Mitgliedstaaten den Umfang der nach dem Reverse-Charge-Verfahren steuerbaren Produkte und Leistungen. Diese Aktion ergab beispielsweise in Ungarn einen Rückgang der Mehrwertsteuer-Lücke um 4%. Neben dem Reverse-Charge-Verfahren unternahm der ungarische Gesetzgeber Schritte, die zwar die Administration eindeutig erhöhen, aber die auch den mit der Umsatzsteuer zusammenhängenden Steuerbetrug erschweren.

Denken wir an folgende Beispiele:

  • Im aufgeschlüsselten inländischen Umsatzsteuer-Bericht müssen die Rechnungen in Anbetracht der bestimmten Wertgrenzen einzeln gemeldet werden.
  • Die Rechnungserstellungsprogramme müssen den Steuerbehörden gemeldet werden.
  • Die Rechnungserstellungsprogramme müssen über eine Funktion für Datenexport verfügen.
  • Unter den tiefgreifendsten Veränderungen ist die Einführung vom EKAER-System zu erwähnen, das ein mit dem Lieferzeitpunkt übereinstimmendes Echtzeit-Kontrollsystem bedeutet. 
Zunehmende Administration

In Folge der Einführung des generellen Reverse-Charge-Verfahrens wird die Administration bei den Unternehmen zunehmen, da alle Transaktionen über 10.000 EUR den Steuerbehörden gemeldet werden müssen. Wenn wir nur die ungarischen, polnischen oder tschechischen Daten berücksichtigen, die hierbei den Behörden angezeigt werden müssen, können wir auch sagen, dass es in diesen Ländern bereits jetzt mit einer Administration in einer ähnlichen Größenordnung gerechnet werden muss. Gleichzeitig sind in Ungarn z.B. im Zusammenhang mit der vom 1. Juli 2017 gültigen Online-Datenabgabe und -Rechnungsstellung immer noch viele Fragen offen, wenn man sich bei den dazugehörigen Regierungsregelungen nicht auskennt. Als so gut wie sicher gilt, dass die ungarische Behörde bei nicht sachgemäßer Datenabgabe ein Bußgeld in Höhe bis zu 500.000 HUF (ca. 1.600 EUR) pro Rechnung wegen Versäumnissen erteilen kann.

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