04.05.2017

Urteil des EU Gerichtshofes – Steuerstrafe der NAV ist nicht rechtmäßig

Steuerstrafe der NAVEs ist noch gar nicht so lange her, dass wir in Kenntnis vom Antrag des Generalanwalts über einen auf Ungarn bezogenen Fall vor dem Europäischen Gerichtshof berichteten. Am 26. April wurde nun hierzu auch ein Urteil verkündet und wir können ruhig zugeben, dass es jenseits unserer Vorstellungskraft ist. Die Steuerzahler dürfen sich freuen, die Strafpraxis der ungarischen Steuerbehörde (NAV) hat jedoch eine weitere Rüge erhalten. 

Warum ist das gefällte Urteil zur Steuerstrafe der NAV vorteilhaft für die Steuerzahler?

Sich die Beurteilungsschwierigkeiten hinsichtlich des Reverse-Charge-Verfahrens und der normalen Steuerschuldnerschaft zunutze machend, beanstandete die NAV im konkreten Fall den Abzug der Mehrwertsteuer als Vorsteuer beim Kauf eines mobilen Hangars. Obendrein hat die ungarische Steuerbehörde auch eine Steuerstrafe in Höhe von 50% des Mehrwertsteuerbetrags verhängt. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, wurde gegen den Zulieferer in Ungarn ein Liquidationsverfahren eröffnet und er so nicht in der Lage gewesen wäre, dem Käufer und Steuerzahler die Steuer zurückzuzahlen.

Das Urteil hat beide Hauptprobleme behoben. Es sieht keine Grundlage für die Strafe von 50%, das heißt für die Höchststrafe, und es hält sogar im Zusammenhang mit der Steuerrückzahlung fest, dass der Steuerzahler in Ungarn die Rückerstattung direkt von der NAV geltend machen kann. Dieser letzte Punkt stellt unserer Meinung nach die wirklich große Ohrfeige für die Steuerbehörde in Ungarn dar und schenkt den Steuerzahlern etwas Hoffnung, die sich ungewollt in eine unangenehme Situation fanden.

Wir zitieren selten wortwörtlich, aber in diesem Fall sollten Sie die wichtigsten Punkte des Urteils (ohne juristischen Schnickschnack) kennenlernen.

„Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren fraglichen die nationalen Steuerbehörden gegen einen Steuerpflichtigen, der einen Gegenstand erworben hat, dessen Lieferung dem Reverse-Charge-Verfahren unterliegt, eine Geldbuße in Höhe von 50% des von ihm an die Steuerverwaltung zu entrichtenden Mehrwertsteuerbetrags verhängen, wenn der Steuerverwaltung keine Steuereinnahmen entgangen sind und keine Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung vorliegen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.“

…es kann nicht beanstandet werden, dass „in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren fraglichen dem Erwerber eines Gegenstands für die Mehrwertsteuer, die er aufgrund einer nach der gewöhnlichen Mehrwertsteuerregelung ausgestellten Rechnung rechtsgrundlos an den Verkäufer gezahlt hat, obwohl der betreffende Umsatz der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge-Verfahren) unterlag, das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, wenn der Verkäufer diese Steuer an das Finanzamt abgeführt hat. Die genannten Grundsätze erfordern allerdings, dass der Erwerber seinen Anspruch auf Rückzahlung der zu Unrecht in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer unmittelbar gegen die Steuerverwaltung geltend machen kann, soweit die Rückzahlung durch den Verkäufer an den Erwerber unmöglich oder übermäßig schwierig wird, insbesondere im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Verkäufers.

Der Urteilsbegründung zufolge müssen die Mitgliedstaaten im Interesse des Effektivitätsgrundsatzes solche Instrumente und Verwaltungsregeln einführen, die es ermöglichen, dass der genannte Käufer die rechtsgrundlos in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer zurückfordern kann.

Folgende Tatsachen müssen demnach beachtet werden:

  • Gegen den Verkäufer wurde ein Liquidationsverfahren eröffnet, dass darauf hinweisen könnte, dass es für den Erwerber unmöglich oder übermäßig schwierig wird, die in der Rechnung vom Verkäufer rechtsgrundlos ausgewiesene Mehrwertsteuer von ihm zurückzahlen zu lassen.
  • Die Mehrwertsteuer wurde bereits früher an den Verkäufer entrichtet (als weiterer Umstand könnte hierbei untersucht werden, ob der Verkäufer sie tatsächlich an den Staatshaushalt abgeführt hat oder nicht, obwohl das aus dem Gesichtspunkt des Steuerzahlers irrelevant ist).
  • Es gab keine Anhaltspunkte für die Begehung eines Steuerbetrugs, der Steuerzahler hat gutgläubig gehandelt.
  • Das Budget erlitt keinen Schaden. 
Welche Folgen wird das Urteil haben? 

Hinsichtlich der Steuerstrafe der NAV hätte im gegebenen Fall auch die Steuerbehörde in Ungarn die Steuerstrafe mindern können (oder sogar vollständig erlassen können), da das Gesetz über die Abgabenordung dies ermöglicht. Nach unseren Erfahrungen aus der Praxis erhebt die ungarische NAV sonst nicht sofort eine Strafe in Höhe von 50%, aber auf Grundlage der im Transaktionswert enthaltenen Mehrwertsteuer kann die Strafe auch von 5 oder 10% ebenfalls eine erhebliche Summe darstellen. Wir vertrauen darauf, dass die Steuerfahnder und deren Vorgesetzte diese Gerichtsurteile ebenfalls lesen und in ähnlichen Fällen nicht die Höchststrafe als Grundsatz nehmen.

Gemäß den Gesetzen in Ungarn besteht keine Möglichkeit auf direkte Rückerstattung von der Steuerbehörde, gleichzeitig berücksichtigen jedoch die ungarischen Gerichte in dem einen oder anderen konkreten Fall die Schlussfolgerungen aus den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs in Steuerverfahren. Im konkreten Fall sehen wir die Berücksichtigung von solchen Anordnungen in den inländischen Rechtsregelungen in Zukunft als begründet, deren Wesen dem entsprechen würde, dass die Steuerzahler, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, einen Antrag an die ungarische Steuerbehörde auf eine direkte Rückerstattung stellen können.

Im Lichte des Urteils ist es empfehlenswert, die eigenen Steuerprüfungen aus der Vergangenheit erneut zu überprüfen, in denen in einer ähnlichen Situation (insolventer Verkäufer) die bereits bezahlte Mehrwertsteuer nicht „zurückgeholt” werden konnte.

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