22.03.2017

Arbeitskräftemangel und zunehmende Lohnerwartungen

munkaerohiany

Wer kann sich nicht an eines der Hauptkriterien für die positive Bewertung von EU-Förderungsprojekten zwischen 2007-2014 erinnern? Der Erfolg der Bewerbung lag neben dem Mindestbetrag einer Investition sowie der kontinuierlichen Umsatzerhöhung in der wesentlichen Zunahme der Mitarbeiteranzahl. Wir haben bereits in unserer im Jahre 2013 erstellten Studie über die Optimierung der ungarischen Steuergesetzgebung darauf aufmerksam gemacht, dass die Investitionen von in Ungarn bereits tätigen Konzernen, die eine moderne Technik anwenden, selten mit einer Personalaufstockung verbunden sind, und somit den damals oft geäußerten Initiativen der ungarischen Regierung zur Schaffung von Arbeitsplätzen schwer in Einklang gebracht werden können.

Spricht man nämlich von keiner Investition auf grüner Wiese – was immer seltener ist –, sondern von der Erweiterung von bestehenden Produktionskapazitäten, ist es im Allgemeinen mit Prozessautomatisierungen sowie Anschaffung weiterer Produktionsmaschinen verbunden, was in vielen Fällen eher zur Senkung der Mitarbeiteranzahl führt. Inzwischen haben sich auch die makroökonomischen Kennzahlen wesentlich geändert, so hat die gegenwärtige Arbeitslosenquote von lediglich 4,3% die Ziele der ungarischen Wirtschaftspolitik sowie von Anlegern, die Investitionen in Ungarn beabsichtigen, in Einklang gebracht. Das Ziel besteht heute bereits darin, einen möglichst hohen Anteil an qualifizierten Arbeitskräften zu erreichen, und nicht einmal der damit verbundene wesentliche Lohnanstieg hindert die diesbezüglichen Bemühungen.

Was änderte sich 2017? 

Die im November des Vorjahres zwischen der Regierung sowie den Sozialpartnern abgeschlossene Vereinbarung brachte bereits im Jahre 2017 eine deutliche Senkung der Sozialbeitragssteuer um 5 Prozentpunkte, der 2018 eine weitere Senkung um 2 Prozentpunkte folgen wird. Durch die gleichzeitige wesentliche Erhöhung des Mindestlohnes sowie des garantierten Lohnminimums sind die Arbeitgeber nahezu automatisch gezwungen, ihre Kostenersparnisse aus der Senkung der Sozialbeitragssteuer in Form einer nicht verbindlich vorgeschriebenen Lohnerhöhung ihren Arbeitnehmern weiterzugeben.

Obwohl der größte Teil der in größeren, in erster Linie multinationalen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer mehr als der erhöhte Mindestlohn und das garantierte Lohnminimum verdient, werden durch den Wettbewerb und den Arbeitskräftemangel auch diese Arbeitgeber zu einer größeren Erhöhung der Löhne gezwungen. Die andere bedeutendste steuerrechtliche Änderung von 2017, nämlich die Einführung des einheitlichen Körperschaftssteuersatzes von 9%, stellte eine weitere Ersparnis für die gewinnträchtigen Großunternehmen dar, die für weitere Lohnentwicklungen aufgewendet werden konnte, selbst wenn diese Ersparnis infolge der – in unserem früheren Beitrag bereits erörterten – Körperschaftssteuerermäßigungen gar nicht so beeindruckend war, wie die Aufhebung des höheren Steuersatzes es andeuten ließe. 

Wo verbergen sich noch größere Arbeitskräftereservoirs?

Die Arbeitslosenquote von 4,3% nähert sich stark der Vollbeschäftigung, deren Erreichung die Ökonomen bei einer Arbeitslosenquote von 2-3% geschätzt haben. Nimmt man die ungarische Bevölkerung von nahezu 10 Millionen Personen zur Grundlage, so liegt die Beschäftigtenzahl von 4,4 Millionen Arbeitnehmern in Ungarn doch weit unter den Beschäftigungsdaten unserer regionalen Mitbewerber oder der höher entwickelten westeuropäischen Länder. Der hohe Anteil der inaktiven Personen ist selbstverständlich auch auf demografische Gründe zurückzuführen, so sind die Initiativen unserer Regierung zur Erneuerung der alternden Gesellschaft auch aus dieser Sicht wichtig, obwohl kurzfristig keine großen Durchbrüche zu erwarten sind. Die zur Verlagerung von Gemeinbeschäftigten in den privaten Sektor ergriffenen Regierungsmaßnahmen können ebenfalls nicht von dem einen Tag auf den anderen zur Lösung führen, durch die besseren Verdienstmöglichkeiten können aber auch auf diesem Gebiet langsame Fortschritte erzielt werden.

Eine weitere Möglichkeit ist, die im Ausland arbeitenden ungarischen Staatsbürger zurück nach Ungarn zu locken. Wir dürfen nicht vergessen, dass die ungarischen Bürger auf dem – infolge unserer wirtschaftlichen Verankerung wichtigen – deutschen und österreichischen Arbeitsmarkt erst ab 2011 die Möglichkeit haben, ohne besondere Beschränkungen arbeiten zu können. Die in den vergangenen fünf Jahren in dieser Weise Schritt für Schritt zunehmende Anzahl der im Ausland arbeitenden Ungarn erreicht langsam das Maximum, und die wesentlich steigenden ungarischen Löhne können einen immer größeren Teil von den Arbeitnehmern zur Rückkehr nach Ungarn veranlassen, die nur vorübergehend im Ausland arbeiten möchten. 

Arbeitskräftemangel – welche Gefahren sind in den nächsten Jahren zu beseitigen?

Neben dem, durch die Gewährung von EU-Förderungen für 2014-2020 aufgeheizten Wirtschaftswachstum stellt in den nächsten Jahren der Arbeitskräftemangel eine ernsthafte Herausforderung dar, das Finden von Arbeitskräften mit entsprechender Befähigung wird für die Arbeitgeber immer schwieriger. Die Gesetze des Marktes bezüglich Nachfrage und Angebot können dadurch zu einem weiteren wesentlichen Lohnanstieg führen. Der Anstieg der Löhne muss gleichzeitig auch die Steigerung der Produktivität zur Folge haben, sonst könnte Ungarn in Bezug auf die regionale Wettbewerbsfähigkeit Einbußen verbuchen. Gemeinsam mit der wesentlichen Kürzung von EU-Mitteln nach 2020 könnte dies zu einer ernsthaften Rezession führen. Aus diesem Grund ist besonders wichtig, dass die Wirtschaftsteilnehmer in den nächsten drei Jahren mit gut überlegten und harmonisierten Schritten auf dem durch die Vereinbarung vom November des Vorjahres gesetzten Weg gehen.

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