In der Nummer des Ungarischen Gesetzblattes vom 25. Mai 2020 erschien die Regierungsverordnung Nr. 227/2020 (V. 25.) „über Maßnahmen zum wirtschaftlichen Schutz von in Ungarn ansässigen Wirtschaftsgesellschaften”. Die Regierungsverordnung knüpft einen indirekten oder direkten Beteiligungserwerb an sog. strategischen Gesellschaften durch ausländische Investoren an eine Meldung und die Kenntnisnahme des für die Binnenwirtschaft verantwortlichen Ministers. Voraussetzung für die Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts ist die Kenntnisnahme des für die Binnenwirtschaft verantwortlichen Ministers.
Ausländischer Investor
Im Sinne der Regierungsverordnung gilt als ausländischer Investor:
- der Staatsangehörige eines Staates außerhalb der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes sowie außer der Schweizerischen Eidgenossenschaft oder eine in einem solchen Staat eingetragene juristische Person oder sonstige Organisation bzw.
- auch die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, in einem anderen Teilnehmerstaat des Europäischen Wirtschaftsraums oder in der Schweizerischen Eidgenossenschaft eingetragene juristische Person oder sonstige Organisation, an der eine in einem Staat außerhalb der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes sowie außer der Schweizerischen Eidgenossenschaft eingetragene juristische Person oder Organisation einen Mehrheitseinfluss besitzt.
Strategische Gesellschaft
Als strategische Gesellschaft gilt die in Ungarn ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Aktiengesellschaft, die eine in der Regierungsverordnung festgelegte Tätigkeit betreibt. Der Kreis der als „strategisch” angesehenen Tätigkeiten ist ziemlich weit gefasst; ohne Anspruch auf Vollständigkeit gehören der Energiesektor (Versorgung mit Strom, Gas und Dampf), die Chemieindustrie, das Fernmeldewesen, die Verteidigungsindustrie, mehrere Maschinenbaubranchen, die Landwirtschaft (Pflanzen- und Tierzucht, Wildwirtschaft) sowie die Lebensmittel- und Getränkeindustrie, das Gesundheitswesen und das Baugewerbe dazu, doch umfasst dies laut Verordnung auch den Finanzsektor, den Groß- und Einzelhandel sowie den Tourismus.
Meldepflichtige Rechtsgeschäfte
Grundsätzlich gelten folgende, die als „strategisch” angesehene Gesellschaften betreffende Rechtsgeschäfte als solche, die meldepflichtig sind:
- eine Eigentumsübertragung unter einem beliebigen Rechtstitel,
- eine Kapitalerhöhung,
- eine Umwandlung, Verschmelzung Spaltung,
- die Emission von Wandelschuldverschreibungen, Schuldverschreibungen mit Aktienbezugsrecht oder Umtauschanleihen,
- die Gründung eines Nießbrauchrechts an den Aktien oder Anteilen der strategischen Gesellschaft
Das Bedingungssystem ist ziemlich kompliziert, dessen Kernel ist, dass die obigen Rechtsgeschäfte zu folgenden Ergebnissen führen:
- Mehrheitsbeteiligungserwerb;
- der direkte oder indirekte ausländische Beteiligungserwerb an der strategischen Gesellschaft wenigstens 10 % beträgt und der Gesamtwert der Investition 350 Millionen HUF (ca. 1 Million EUR) erreicht oder übersteigt;
- ausländischer Beteiligungserwerb von 15 %, 20 % oder 50 %;
- durch die Transaktion die Beteiligung der ausländischen Investoren an der strategischen Gesellschaft 25 % erreicht oder übersteigt; bzw.
- der ausländische Investor durch die Übertragung der zur Ausübung einer als strategisch angesehenen Tätigkeit unerlässlichen Infrastrukturen und Anlagen, bei der Abtretung des Nutzungs- oder Betriebsrechts von Vermögenswerten oder bei der Übergabe solcher Vermögenswerte als Sicherheit das Betriebsrecht erwirbt.
Ablauf der Meldung
Die Meldung ist innerhalb von 10 Tagen nach dem Abschluss des Rechtsgeschäfts auf elektronischem Wege, unter verbindlicher Inanspruchnahme eines Rechtsvertreters an den für die Binnenwirtschaft verantwortlichen Minister zu tätigen, und darin ist praktisch das ganze Rechtsgeschäft darzulegen bzw. sind die beim Geschäft anfallenden Dokumente beizulegen.
Der Minister hat 45 Tage zur Kenntnisnahme oder zur Aussage eines Verbotes. Eine untersagende Entscheidung ist zu begründen; als Grund kann die Verletzung eines Staatsinteresses, der öffentlichen Sicherheit bzw. der öffentlichen Ordnung von Ungarn oder eine Gefährdung – unter besonderer Berücksichtigung der Versorgung der grundlegenden sozialen Bedürfnisse –, das Bestehen einer Kontrolle durch das Verwaltungsorgan eines EU-Mitgliedstaates, das Risiko einer illegalen Handlung oder einer Straftat bzw. eine die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung der EU verletzende frühere Aktivität bestimmt werden. Gegen die Entscheidung ist ein gerichtliches Rechtsmittel zulässig.
Eine fehlende Kenntnisnahme oder ein Verbot hat die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge. Die Kenntnisnahme der Meldung ist die Voraussetzung dafür, dass die Änderung im Handelsregister und in den Firmendokumenten der strategischen Gesellschaft eingetragen wird. Die unter fehlender Kenntnisnahme der Meldung oder trotz eines Verbotes des Ministers eingetragenen Daten werden im Rahmen eines Verfahrens zur Gesetzlichkeitsaufsicht aus dem Handelsregister gelöscht.
Sanktionen
Eine Person, die eine mit der Meldung zusammenhängende Pflicht verletzt, kann auch mit einem Bußgeld belegt werden. Die Höhe des Bußgeldes kann sich bis zum Zweifachen des Transaktionswertes erstrecken, muss aber
- bei einer natürlichen Person über 100.000 HUF (ca. 290 EUR) und
- bei einer juristischen Person oder anderen Organisation über 1 % der im letzten Geschäftsjahr erzielten Nettoumsatzerlöse der vom Eigentumserwerb betroffenen strategischen Gesellschaft liegen.
Die Regierungsverordnung ist bis zum 31. Dezember 2020 gültig. Obwohl die Rechtsregelung mit der Begründung des Schutzes der strategisch wichtigen ungarischen Firmen vor „Aufkauf von ausländischen Investoren“ erlassen wurde, ist es wichtig vor Augen zu halten, dass die Regierungsordnung auch solche Vorschrift formuliert, nach der auch der direkte oder indirekte Beteiligungserwerb von juristischen Personen oder sonstigen Organisationen anzeigepflichtig ist, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, in einem anderen Teilnehmerstaat des Europäischen Wirtschaftsraums oder in der Schweizerischen Eidgenossenschaft eingetragen sind.
Die neue Meldepflicht kann bei den Managern der in Ungarn tätigen oder zu investieren beabsichtigenden ausländischen Firmen zahlreiche Fragen aufwerfen. Die Rechtsexperten von WTS Klient Ungarn beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit den ungarischen Rechtspflichten ihrer internationalen Klienten und stehen Ihnen so mit einem fundierten Fachwissen sowie umfangreichen Erfahrungen gern zur Verfügung, wenn Sie in Verbindung mit der Auslegung der Regierungsverordnung Fragen haben sollten!