02.04.2019

Mit einem umfassenden Maßnahmenpaket könnte der ungarische Beschäftigungsgrad noch gesteigert werden

Unterstützung von Mobilität und Umschulung sind Schlüsselfaktoren

Beschäftigungsgrad

In Ungarn liegt der Beschäftigungsgrad auf Rekordniveau und die Arbeitslosenrate war seit Jahren nicht so niedrig. Zugleich sind die Fachleute des Themas – unter ihnen auch das Finanzministeriums – der Ansicht, dass es noch Reserven im System gibt. Es gibt regionale Ungleichheiten und eine Arbeitsmarktreserve beim Anreiz, Inaktive wieder in Arbeit zu bringen. Der Beschäftigungsgrad kann durch Umschulung bzw. Förderung der Mobilität sowie mit einer Steuervergünstigung zur Förderung von flexiblen Beschäftigungsformen und Teilzeitarbeit noch weiter erhöht werden. Zugleich kann das gewünschte Wirtschaftswachstum langfristig nur zusammen mit technologischen Entwicklungen zur Freisetzung von Arbeitskräften gewährleistet werden.

Wer ist das zwischen Beschäftigten und Arbeitslosen? 

Die vom ungarischen Zentralamt für Statistik erhobene neueste Arbeitslosenrate von 3,6 % nähert sich auch nach Ansicht der Fachliteratur der Vollbeschäftigung an. Unter 3 % kann die Arbeitslosenrate nämlich nicht mehr wirklich gedrückt werden, da es immer Menschen gibt, die nicht zur Arbeitsverrichtung geeignet sind oder nicht die Absicht haben, eine Arbeit aufzunehmen. Da wir die Wirkung der neuen familienpolitischen Maßnahmen der Regierung auf dem Arbeitsmarkt leider erst in 15-20 Jahren sehen können, könnte man aus der Arbeitslosenrate bzw. dem Beschäftigungsgrad auch zu dem Schluss kommen, dass es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass der Arbeitskräftemangel in Ungarn beseitigt wird.

Die Erwerbsaktivität, d. h. der Beschäftigungsgrad und die Arbeitslosigkeit sind jedoch keine zwei, einander zu 100 % ergänzende Faktoren. Es existiert nämlich eine dritte große Gruppe, die Gruppe der Inaktiven, in der es in Ungarn noch reichlich Reserven gibt. In Budapest beispielsweise lag die Erwerbsaktivität in der Altersklasse der 15-74-jährigen vor einigen Jahren kaum über 60 %, d. h. auf ungefähr 800.000 Arbeitnehmer entfielen 524.000 Einwohner zwischen 15 und 74 Jahren, die nicht gearbeitet haben. Die Zahl der Arbeitslosen bewegte sich um 40.000 Personen, es gab also 10-15 Mal so viele Inaktive wie Arbeitslose. Diese Inaktiven können noch Schüler, bereits Rentner oder auch junge Mütter sein. Diese Gruppe wiederum könnte man wirklich einbeziehen, gegebenenfalls für den Arbeitsmarkt zurückgewinnen, wenn es ein umfassendes Maßnahmenpaket gäbe, das Anreize für Arbeitgeber schaffen würde, auch aus der inaktiven Bevölkerung Arbeitnehmer anzuwerben.

Erhöhung vom Beschäftigungsgrad durch Umschulung und Mobilität

Im umfassenden Maßnahmenpaket müsste in jedem Fall die Förderung der Mobilität vorkommen. Das am Anfang des Artikels detailliert aufgeführte Budapester Beschäftigungsverhältnis ist in Süd-Transdanubien bzw. Nordungarn um 8-10 Prozentpunkte niedriger, es wäre also – so lange, wie die Arbeitsplätze nicht in einem solchen Tempo dorthin kommen, wie es erforderlich wäre – zweckmäßig, die Arbeitnehmer von dort in die mit Arbeitskräftemangel kämpfenden Gebiete und Komitate zu bewegen.

Zur Unterstützung der Arbeitskräftemobilität konnten die Arbeitgeber bis Ende 2018  Wohngeldzuschüssen steuerfrei gewähren. Diese Vergünstigung fiel jedoch ab 1. Januar 2019 der Stutzung der Cafeteria-Instrumente zum Opfer, obwohl die Mobilitätsbereitschaft der ungarischen Arbeitnehmer sowieso ziemlich gering ist. Die vergünstigte Besteuerung der Wohngeldzuschüsse zu Mobilitätszwecken ist unter Berufung darauf, dass die erwartete Wirkung ausgeblieben ist, ab 1. Januar erloschen, obwohl unserer Meinung nach dieses System hätte effektiv sein können, wenn ihm die Regierung eine wenig mehr Zeit gelassen hätte, seine Wirkung zu entfalten.

Die Umschulung oder anders gesagt der Schulbesuch ist ebenfalls ein sehr wichtiger Faktor, der in jedem Fall in dem oben erwähnten umfassenden Maßnahmenpaket stehen müsste. Zwar fördert die Regierung aus EU- und sonstigen Mitteln die Umschulung, doch müssten die Arbeitgeber besser einbezogen und mit irgendeiner Vergünstigung unterstützt werden, damit es möglichst viele Umschulungen gibt und möglichst viele potentielle Arbeitnehmer die Qualifikation erwerben, die zur Durchführung einer gegebenen Arbeit notwendig ist.

Flexible Beschäftigungsformen und Rolle der Automatisierung

Bei der Beschäftigung von Leuten über 55 Jahre, Jugendlichen als Berufsanfänger oder auch Frauen, die als junge Mütter in die Arbeitswelt zurückkehren, hatten die Arbeitgeber die Möglichkeit, eine Vergünstigung auf die Sozialbeitragsteuer in Anspruch zu nehmen, doch reichten diese Vergünstigungen allein nicht aus, um den Beschäftigungsgrad zu erhöhen. Ein bedeutender Teil dieser Gruppen kann nämlich nicht unbedingt bis zu 8 Stunden arbeiten, so dass bei ihnen die Möglichkeit der Teilzeitarbeit oder der Heimarbeit (Home Office) ein entscheidender Faktor sein kann. Zu alledem müsste aber das Interesse der Firmen dazu geweckt werden – beispielsweise mit einer Gewerbesteuervergünstigung –, sich der Schaffung von Teilzeitstellen, Heimarbeit und anderen ähnlichen Möglichkeiten zu öffnen. Das würde ganz sicher positiv auf den Arbeitsmarktdruck wirken, den die Firmen spüren.

Zur Minderung des Arbeitskräftemangels seitens der KMUs wäre die Förderung solcher innovativen Investitionen ebenfalls eine Hilfe, durch die die Arbeitnehmer durch Maschinen ersetzen werden könnten. In Ungarn ist zwar der gesellschaftliche Widerstand in Verbindung damit groß, doch müssen wir sehen, dass es auch in Westeuropa eine Tendenz gibt, wonach die Firmen ihre Prozesse immer mehr automatisieren und damit den auch dort bestehenden Arbeitskräftemangel lösen. Die bereits erwähnte Fortbildung unserer Arbeitnehmer, ihre Anstellung in Arbeitsbereichen, die ein höheres Wissen erfordern, und dadurch die Ablösung von Handarbeit durch Maschinen würden zusammen ganz sicher zu einer Minderung des ungarischen Arbeitskräftemangels führen.

Lohnerhöhung allein ist nicht genug

Man kann sehen, dass in den vergangenen drei Jahren auch die jährlichen Lohnerhöhungen über 10 % den Arbeitskräftemangel nicht gelöst haben, d. h., dass es dadurch, dass die Löhne angestiegen sind, nicht mehr oder viel mehr Arbeitnehmer, d. h. einen höheren Beschäftigungsgrad gab. Zu einem so hohen Lohnzuwachs müsste sich auch eine Effizienzsteigerung gesellen und die Effizienz bei den Firmen kann man in erster Linie mit technologischen Investitionen erreichen. Diese beiden Prozesse können zusammen dazu führen, dass wir mit diesen Lohnerhöhungen nicht die kleinen und mittleren Unternehmen  kaputtmachen, die im Übrigen in hohem Maße dazu beitragen könnten, dass auch unser Wirtschaftswachstum bestehen bleibt.

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