22.08.2017

Die Gewerbesteuer, der kleine Bruder der Körperschaftsteuer

Iparuzesi-ado

Bei vielen Gesellschaften laufen bereits während der Sommermonate die Planungsvorbereitungen für das nächste Jahr. Im Besitz der Umsatzprognosen des Verkaufsteams und den Schätzungen der HR-Organisation bezüglich der Lohn- und Gehaltskosten kann die Finanz- und Controllingabteilung mit der Kalkulation der Ergebniszahlen beginnen. Die Steuern, die direkt oder indirekt von den Ergebnissen abhängen, rücken hierbei schnell in Vordergrund. Von Jahr zu Jahr kommt der Augenblick, in dem wir in Ungarn immer wieder erstaunt auf den unerwartet hohen Betrag der Gewerbesteuer blicken, der sich hinter dem Prozentsatz der Körperschaftsteuer verbirgt.

Was sorgt für die Überraschung?

Wir neigen dazu, uns schnell aufgrund von Äußerlichkeiten eine Meinung zu bilden. Auch die 2%-ige Höhe der Gewerbesteuer kann leicht zu einer Beeinträchtigung unserer Wachsamkeit führen. Im Allgemeinen sind Führungskräfte damit einverstanden, dass auch die örtlichen Kommunalverwaltungen auf die Steuern der auf ihrem Gebiet tätigen Wirtschaftsorganisationen angewiesen sind. Die Höhe von 2% erscheint dabei wirklich als angemessen.

Ich überlege oft, wie viele der Geschäftsführer in Ungarn sich darüber im Klaren sind, dass die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer das Mehrfache der Körperschaftsteuer beträgt. Obwohl es sich bei der Gewerbesteuer offiziell auch um eine Ertragsteuer handelt, verfügen die als Bemessungsgrundlage nur um einen Teil der Materialaufwendungen geminderten Nettoerlöse eher über die Eigenschaften einer  Umsatzsteuer. Bei der Kalkulation der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer können die Gesellschaften davon weder die Kosten für Dienstleistungsrechnungen, die gesamten Lohn- und Gehaltsaufwendungen, die Abschreibungen, noch die sonstigen Aufwendungen, die gemeinsam eine beträchtliche Summe ergeben, abziehen. Niemand in Ungarn sollte eine Überraschung erleben, wenn seine Gesellschaft im Absolutbetrag die Gewerbesteuer in der Höhe bezahlt, die das Ausmaß der Körperschaftsteuer weit übersteigt.

Ein zu korrigierender Systemfehler

Die Investitionen, die als Motor für Wirtschaftswachstum gelten, genießen eine vollkommen logische und nachvollziehbare Unterstützung der Regierung. Die Verwendung von EU-Geldern zur Förderung der ungarischen Wirtschaft (vor allem mit der Unterstützung von KMUs) bzw. die staatlichen Fördermittel für Investitionen seitens der multinationalen Unternehmen in Ungarn tragen einen großen Teil bei den Kapitalanlagen der Gesellschaften bei, die als Grundlage für ein langfristiges Wachstum dienen. Als Teil der Wirtschaftspolitik sollte sich die Steuerpolitik auch auf den Investitionsanreiz ausrichten. Es gibt hierzu auch entsprechende Beispiele bei der Körperschaftsteuer, es reicht, wenn wir an die wirklich großzügigen Steuersenkungsmöglichkeiten bei der Entwicklungssteuerbegünstigung denken. Im Hinblick auf die Gewerbesteuer können dennoch keine Indizien für ähnliche Bestrebungen entdeckt werden. In den Jahren nach der Inbetriebnahme von Investitionen sind die Abschreibungen die wichtigsten, von den Unternehmen verrechenbaren Aufwendungen. Diese Aufwendungen führen jedoch zu keiner Minderung der Gewerbesteuerpflicht bei den Gesellschaften in Ungarn.

Ähnliche Unregelmäßigkeiten können bei den Aufwendungen der Lohn- und Gehaltskosten für die Mitarbeiter festgestellt werden. Die Ende 2016 abgeschlossenen Tarifverhandlungen bieten der Arbeitnehmerschicht eine historische Chance für einen stärkeren Lohnanstieg. Die ungarische Regierung steuert mit der Senkung der Sozialversicherungssteuer und die Arbeitgeber mit Erhöhung der Bruttolöhne und –gehälter zum Zustandekommen dieses wirtschaftspolitischen Zieles bei. Die Gewerbesteuer schenkt jedoch auch diesem Vorsatz keine Beachtung. Die Lohn- und Gehaltsaufwendungen der Gesellschaften steigen vergebens deutlich an, die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer bleibt unverändert und somit erfolgt auch keine Senkung der Steuerbeträge. Bei unveränderter Höhe der Umsätze und aller Aufwendungen ohne Einbeziehung der Löhne- und Gehälter mindern die Lohn- und Gehaltsaufwendungen zwar das Ergebnis vor Steuern, aber die eigentlich als Gewinnsteuer geltende Gewerbesteuer bleibt unverändert.

Eine weitere Gefahr: Besteuerung des Vermögens

Profitable Unternehmen könnten sich auf Wirkung der obigen Ausführungen „nur” deswegen beschweren, dass ein bedeutender Teil ihrer Aufwendungen keine Auswirkung auf die Höhe ihrer Gewerbesteuer hat. Was sollten nun aber die auch wenn nur vorübergehend verlustbringenden Gesellschaften dazu sagen?

Eine Gesellschaft verbucht vergeblich 15-20% ihrer Nettoerlöse als Verlust, in einem kann sie sich sicher sein: die Bemessungsgrundlage ihrer Gewerbesteuer wird sicherlich positiv ausfallen und sie wird daher gewerbesteuerpflichtig bleiben.

Das Betreiben einer Wirtschaftsorganisation ist für die Eigentümer mit einer Risikobereitschaft verbunden. Der verbuchte Verlust senkt das Vermögen des Unternehmens. Eine weitere Verminderung des Vermögens durch die Verpflichtung zur Entrichtung der theoretisch als Ertragssteuer geltenden Gewerbesteuer sollte aber auf jeden Fall vermieden werden. Gut zu wissen, dass das Verfassungsgericht in dem oft als Vorbildland geltenden Deutschland diese Eingriffe des Steueramtes wegen Gefährdung der Eigentumsfreiheit für verfassungswidrig erklärt hat.

Wie lautet die Lösung?

Die Gewerbesteuer ist auf Ebene der nationalen Wirtschaft neben Umsatzsteuer und Einkommensteuer die drittstärkste Steuereinnahmequelle. Die im Moment 2%-ige Höhe bietet offensichtlich keine Möglichkeit, dass die Steuerbemessungsgrundlage der Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage angeglichen wird. Die Gewerbesteuer spielt in Ungarn in der Finanzierung der Kommunalverwaltungen eine solch wichtige Rolle, dass mit einer drastischen Senkung nicht wirklich zu rechnen ist. Mit der stufenartigen Anhebung des Steuersatzes und parallel dazu mit einem stufenmäßigen Ermöglichen des Abzuges der Aufwendungen von der Steuerbemessungsgrundlage könnte die Höhe der Gewerbesteuereinnahmen unverändert bleiben, gleichzeitig würde die Gewinnträchtigkeit der Unternehmen bei der Höhe der Steuerpflicht verhältnismäßig besser zur Geltung kommen.

Ernsthafte Investoren berechnen vor einer bestimmten Investitionsentscheidung aufgrund der abzuführenden Steuern eines bestimmten Landes immer die sogenannte effektive Steuerbelastung. Wenn wir die wirtschaftspolitische Kommunikation, die nur auf Ebene der Steuersätze stattfindet, stoppen, und unseren potenziellen Investoren die ansonsten vorhandenen regionalen Ertragssteuervorteile auf der Ebene der effektiven Steuerbelastung, und gleichzeitig mit den nicht außer Acht zu lassenden Vorteilen der Transparenz aufzeigen, können wir eine ordentliche Wirtschaftsentwicklung erreichen.

Lasst uns damit beginnen!

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